Die Drachenbande - Die neue Buchreihe von florian und Peter Freund!
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Leseprobe: "Laura und das Geheimnis von Aventerra"

Kapitel 7 - Geheimnisse der Nacht

Tiefe Nacht hatte sich über Ravenstein gesenkt. Die schmale Sichel des abnehmenden Mondes stand bleich am fast wolkenlosen Himmel und tauchte die Burg in ein fahles Licht. Aus der Ferne, vom Henkerswald her, erscholl der Ruf einer Eule, und dann hallten die tiefen Schläge der Turmuhr durch die Stille.

Es war Mitternacht.

Laura Leander lag in ihrem Bett und schlief. Ihr Atem ging ruhig und regelmäßig. Aus Kajas Bett tönte sanftes Schnarchen, der Wecker auf ihrem Nachttisch tickte leise vor sich hin. Das Mondlicht fiel durch die Gardine und zeichnete gespensterhafte Schatten an die Wände.

Plötzlich war ein seltsames Geräusch zu hören. Es klang wie das Heulen eines Wolfes. Laura stöhnte leise auf und drehte sich in ihrem Bett um, als störe das schaurige Heulen ihren Schlaf. Im selben Moment wurde die Klinke der Zimmertür geräuschlos nach unten gedrückt. Mit einem kaum hörbaren Knirschen öffnete sich die Tür. Ein dünner Lichtstrahl fiel vom Gang aus in den Raum, wanderte über die Wand, an der Lauras Bett stand, wurde größer und größer, bis er schließlich Lauras Gesicht erhellte. Stoff raschelte.

Erneut ging das schaurige Wolfsgeheul durch die Nacht, und Laura fuhr aus dem Schlaf. Sie öffnete die Augen, richtete sich in ihrem Bett auf und erschrak heftig, als sie eine dunkle Gestalt erblickte.
Oh, nein!

Laura wollte laut aufschreien, doch dann erkannte sie die nächtliche Besucherin. "Miss Morgain?" Verblüffung stand in Lauras Gesicht geschrieben.

Die zierliche Lehrerin war in einen langen Umhang gehüllt und verharrte ruhig an ihrem Platz.
"Komm mit!", sagte sie ohne jede weitere Erklärung.
"Aber -" Laura wollte protestieren, doch Mary Morgain schnitt ihr unvermittelt das Wort ab.
"Bitte, Laura, komm mit!", flüsterte sie eindringlich. Damit drehte sie sich um und trat in den Flur.
Laura starrte für einen winzigen Augenblick ratlos vor sich hin. Was hat das zu bedeuten?, fragte sie sich, aber da bemerkte sie auch schon zu ihrer eigenen Überraschung, dass sie die Decke zur Seite schlug und sich vom Bett erhob. Ohne dass sie es eigentlich wollte, stand sie auf, schlüpfte in die Winterstiefel, zog den roten Stepp-Anorak über den Pyjama und tastete benommen zur offenen Tür. Ein geheimnisvoller Bann schien ihre Schritte zu lenken, ohne dass sie auch nur das Geringste dagegen tun konnte. Es war, als habe eine fremde Macht von ihr Besitz ergriffen.
Als Laura in den Flur trat, hatte Miss Mary schon beinahe das Treppenhaus erreicht.
Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte Laura. Und plötzlich fiel es ihr auf: Während die eigenen Schritte zwar gedämpft, aber dennoch deutlich zu vernehmen waren, bewegte sich die Lehrerin, ohne ein einziges Geräusch zu verursachen. Laura musterte sie näher und hatte den Eindruck, als würde Miss Mary die Beine überhaupt nicht bewegen! Gut, der Umhang der Lehrerin reichte fast bis auf den Boden, sodass weder Beine noch Füße zu sehen waren, aber auch der schwere Stoff des Capes ließ keinerlei Bewegung erkennen. Kein Kräuseln, kein Faltenwurf, nichts. Die zierliche Lehrerin schien zu schweben und glitt vollkommen laut- und schwerelos auf die Treppe zu.
Seltsam!, dachte Laura. Wirklich seltsam!
Nur ein funzeliges Notlicht brannte, und auch das fahle Mondlicht, das ab und an durch ein Fenster schien, konnte den langen Flur nicht erhellen. Dunkle Gestalten tauchten in den Nischen des Ganges aus dem Halbdunkel auf wie mordlüsterne Gesellen aus dem Hinterhalt. Obwohl Laura wusste, dass es sich um die alten Ritterrüstungen handelte, die dort aufgestellt waren, beschlich sie ein beklemmendes Gefühl. Gänsehaut prickelte über ihren Körper.
Laura atmete auf, als sie endlich die Treppe erreichte, die in die Eingangshalle hinunterführte. Hier war es zwar ebenfalls recht dunkel, aber wenigstens gab es keine gespensterhaften Rüstungen mehr.
Miss Mary war fast schon am Fuße der Treppe angelangt. Die Lehrerin schaute sich nicht einmal um. Sie schien auch so zu wissen, dass Laura ihr folgte.
Das Mondlicht flutete durch das runde Ornamentfenster über dem Eingangsportal und malte ein fahles Licht auf das Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Unwillkürlich drehte Laura den Kopf zum Bild. Was sie erblickte, ließ sie erschrocken zusammenfahren. Wie angewurzelt blieb sie stehen und hielt die Luft an. Für die Dauer eines Herzschlags wusste Laura nicht mehr, ob sie tatsächlich wach war oder alles nur träumte. Auf dem Gemälde war nur noch die junge Frau im weißen Gewand zu sehen. Aus unendlich traurigen Augen schaute sie Laura unverwandt an. Der große schwarze Wolf, der für gewöhnlich zu ihren Füßen lag, war jedoch spurlos verschwunden!
Laura schüttelte verwirrt den Kopf. Das war doch nicht möglich! Sie musste sich täuschen! Sie blinzelte heftig und rieb sich die Augen, aber noch immer war keine Spur von dem Wolf zu entdecken. Der Platz zu den Füßen der Weißen Frau war leer. Als habe es niemals einen Wolf gegeben, stand Silva ganz allein auf der Waldwiese und starrte Laura unverwandt an.
Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Jemand hatte den Wolf übermalt! Aber warum bloß? Und ob das in der kurzen Zeit, die seit dem Abendessen verstrichen war, überhaupt möglich war? Denn als sie nach dem Essen mit Kaja die Halle auf dem Weg zu ihrem Zimmer durchquert hatte, war das Bild noch unverändert gewesen.
Da hörte Laura das Heulen des Wolfes. Es schien aus dem Henkerswald hinter dem Park zu kommen. Sie hatte sich bestimmt nicht getäuscht, denn es ertönte ein weiteres Mal. Sollte der Wolf lebendig geworden sein und aus dem Bild .?
Unsinn! Laura ärgerte sich über sich selbst. Wie konnte sie nur auf eine derart krasse Idee kommen!
Das Knarzen der Eingangstür riss sie aus den Gedanken. Laura sah Miss Mary gerade noch zum Portal hinaushuschen und beeilte sich, ihr zu folgen.
Als Laura ins Freie trat, schlug ihr die kalte Nachtluft entgegen. Obwohl sie sich tiefer in den Anorak kuschelte, fröstelte sie.
Ich hätte besser meine Jeans und einen Pulli übergezogen, schoss es ihr durch den Kopf. Aber dazu ist es jetzt zu spät.
Mary Morgain war bereits am Ende der Freitreppe angelangt, und Laura musste sich sputen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Sie hastete die Stufen hinunter, passierte den Steinernen Riesen, der das Vordach trug, und hatte bald darauf den Weg erreicht, der in den Park führte. Auf den Gedanken, sich nach dem Riesen umzublicken, kam Laura nicht.
Dafür aber blickte der Riese dem Mädchen nach. Er blinzelte, legte die breite Stirn in nachdenkliche Falten und ließ Laura nicht aus den Augen. Er drehte den großen Kopf ein wenig zur Seite, um sie besser sehen zu können. Aber das, was er sah, schien ihn nicht gerade zu erheitern. Im Gegenteil: Der Steingigant wirkte ernst.
Sehr ernst.
Der schmale Weg führte am Hauptgebäude der Burg entlang. Lauras Anorak leuchtete wie ein rotes Signallicht im Dunkel der Nacht, während sie der Lehrerin folgte, die gut zwanzig Meter vor ihr völlig lautlos dahinglitt. Der Kies knirschte unter Lauras Stiefeln, die kalte, feuchte Nachtluft kribbelte in ihrer Nase und roch - nein, leider nicht nach Schnee. Es war Kastor Dietrich gewesen, der Laura beigebracht hatte, dass man Schnee riechen kann. Überhaupt hatte der Bauer ihr so einiges vermittelt. Er hatte sie gelehrt, auf die Zeichen der Natur zu achten, aus denen der Kundige vieles abzulesen vermag. Aber nun roch Laura nur modrige Blätter und fauliges Holz.
An einem Fenster im zweiten Stock des Burggebäudes wurde der Vorhang zur Seite geschoben. Es war das Fenster des Lehrerzimmers. Der Raum war dunkel, aber dennoch waren hinter der Scheibe die schemenhaften Umrisse einer finsteren Gestalt zu erkennen, die aufmerksam hinunter in den Park zu spähen schien.
Laura bemerkte nicht, dass sie beobachtet wurde. Doch plötzlich glaubte sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung zu erkennen. Sie drehte den Kopf und blickte hinüber zum Hauptgebäude - und sah nur noch, wie sich der Vorhang hinter dem Fenster des Lehrerzimmers sachte hin und her bewegte. Die finstere Gestalt war bereits verschwunden.
Als das Mädchen sich wieder Miss Mary zuwandte, tauchte diese gerade in die Nebelschwaden ein, die durch den Park drifteten. Laura beschleunigte die Schritte. Wenige Augenblicke später war auch sie vom grauen Dunst umhüllt. Er behinderte ihre Sicht. Sie konnte Miss Mary nicht mehr erkennen, und auch sonst war keine Menschenseele zu entdecken. Der Nebel wurde dichter. Wie geisterhafte Schemen tauchten die Büsche und Sträucher, die den Weg säumten, daraus auf. In der Ferne bellte ein Fuchs, und zwei geflügelte Schatten strichen lautlos über Lauras Kopf hinweg. Das Mädchen zuckte zusammen, aber da waren die Schatten bereits wieder verschwunden. Laura redete sich zu ihrer Beruhigung ein, dass es nur das Steinkauzpärchen gewesen sein konnte, das in der alten Eiche hinter der Turnhalle nistete, und ging hastig weiter.
Als sie an eine Weggabelung gelangte, wusste sie nicht, welche Richtung sie einschlagen sollte. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wohin Miss Mary sie führen wollte. Aber von der Lehrerin war keine Spur mehr zu entdecken, und so stand das Mädchen einen Augenblick unschlüssig da, bis es sich schließlich entschied, nach rechts abzubiegen. Wenn Laura sich nicht täuschte, führte der schmale Pfad zum Haus von Professor Morgenstern, das weit abseits des Hauptgebäudes in einem stillen Winkel des Parks lag. Vielleicht ist das ja das Ziel unseres Ausflugs?, überlegte Laura zaghaft und hastete beklommen weiter.
Der Nebel war jetzt so undurchdringlich, dass sie nur noch wenige Meter weit sehen konnte. Nur den Kiespfad vor sich vermochte sie noch zu erkennen, die Büsche und Sträucher des Parks aber waren hinter einem grauen Schleier verborgen. Doch das Haus des Direktors tauchte nicht auf, obwohl sie es längst hätte erreicht haben müssen. Der Pfad schien einfach kein Ende zu nehmen und immer tiefer in den wabernden Dunst zu führen. Da wurde Laura klar, dass sie die Orientierung verloren hatte. Sie wusste nicht mehr, wo sie war. Angst stieg in ihr auf, und obwohl sie wusste, dass das völlig unsinnig war, rannte sie nur noch schneller.
Als das Ungeheuer aus dem Nebel vor ihr aufragte, hätte Laura beinahe laut aufgeschrien. Aber dann ging ihr auf, dass es sich bei dem mächtigen Pferd nur um das überlebensgroße Standbild von Reimar von Ravenstein handeln konnte, das sich auf einem kleinen runden Platz mitten im Park erhob. Dennoch pochte ihr Herz zum Zerspringen, während sie sich mit zögernden Schritten dem steinernen Monument näherte.
Der Grausame Ritter hatte das Denkmal noch zu Lebzeiten errichten lassen, kurz nachdem er im Jahre 1153 von einem Kreuzzug zurückgekehrt war, der ihn jahrelang in fremden Landen festgehalten hatte. Er hatte wohl geahnt, dass ihm nach seinem Tode niemand eine Träne nachweinen oder gar ein Denkmal setzen würde. Deshalb hatte er selbst dafür gesorgt, dass sein Abbild der Nachwelt erhalten blieb, und einen Bildhauer aus seiner Grafschaft damit beauftragt, ihn auf seinem Lieblingspferd "naturgetreu" in Granit zu hauen.
In der Dunkelheit und von Nebelschleiern umflort, wirkte das Standbild noch monströser, als es ohnehin schon war. Laura schielte zaghaft zu dem unheimlichen Ritter empor, der in voller Rüstung und mit einem mächtigen Schwert an der Seite auf seinem Streitross saß und mit starrem Blick in die Ferne schaute.
Reimar musste ein Mann von abgrundtiefer Hässlichkeit gewesen sein, denn selbst sein geschöntes Antlitz wirkte noch abstoßend und grausam. Die Augen lagen im Schatten des Helmes. Aber das war nicht der Grund, warum sie kalt und böse wirkten - Reimars Augen waren kalt und böse, und selbst in der steinernen Gestalt flößte der Ritter den meisten Betrachtern noch Furcht ein. Sogar die Tauben schienen Angst zu verspüren, denn sie wagten nicht, sich auf seinem Kopf niederzulassen oder ihn gar zu beschmutzen. Jedenfalls behauptete Albin Ellerking das immer wieder steif und fest. Und in der Tat fand sich niemand, der solche Frevel jemals beobachtet hätte.
Auch Laura, die im Allgemeinen alles andere als ängstlich war, hatte stets aufs Neue ein ungutes Gefühl angesichts des Steinernen Ritters. Dennoch konnte sie den Blick kaum abwenden. Wie gebannt starrte sie den Recken an, als er plötzlich den Kopf drehte und ihr direkt in die Augen schaute.
Laura schrie laut auf, wich einige Schritte zurück - und stieß mit jemandem zusammen. Erneut entfuhr ihr ein Aufschrei des Schreckens. Hastig wandte sie sich um - und da stand Miss Mary und schaute ganz besorgt. "Was ist denn los, Laura? Warum hast du geschrien?"
"Derderderder .", stammelte Laura nur.
"Wer?", fragte Miss Mary ruhig. "Wen meinst du?"
Laura schaute zum Denkmal - und da merkte sie, dass sie sich getäuscht haben musste: Reimar von Ravenstein starrte wie immer finster in die Ferne, gerade so, als lebe er in einer anderen Welt. Der Nebel und die eigene Angst hatten ihr wohl einen Streich gespielt.
"Ähm", sagte Laura verlegen. "Es . es war nichts."
Die Lehrerin nahm Laura an die Hand. "Schon bald wirst du verstehen, Laura", flüsterte sie und zog Laura sanft fort. "Jetzt komm endlich - wir werden erwartet."
Laura war froh, als sie das Rondell endlich hinter sich gelassen hatten und nach links in einen Pfad einbogen. Der Nebel riss auf, und nun konnte sie erkennen, dass sich der Kiesweg durch das lockere Gehölz schlängelte, hinter dem das efeuüberwucherte Haus von Professor Morgenstern lag.
Genau in diesem Augenblick geschah es: Ein leises raues Knirschen war zu hören. Es war der Steinerne Ritter, der seinen Kopf drehte und dem Mädchen in dem roten Anorak nachschaute. Er verengte die Augen zu Schlitzen und beobachte Laura mit bösem Blick. Fast hatte es den Anschein, als wolle er im nächsten Moment vom Pferd steigen, um ihr zu folgen.

Der Weg durch die Auenlande war Morwena schier endlos vorgekommen. Obwohl ihr Zweihorn ihn fast vollständig im Galopp zurückgelegt hatte, war er ihr viel länger erschienen als sonst, hatte sie doch die ganze Zeit voller Sehnsucht an Hellunyat gedacht. Sie konnte es gar nicht erwarten, endlich dort anzugelangen. Als das Brausen des Donnerflusses an ihr Ohr klang, hoffte sie inständig, dass der Flusslauf jeden Moment vor ihr auftauchen würde. Doch zu ihrer Enttäuschung verstrich noch eine geraume Zeit, bis sie den mächtigen Strom endlich erreichte.
Der Anblick der neuen Brücke entschädigte Morwena für die bange Erwartung der vergangenen Stunden. Obwohl es mitten in der Nacht war, konnte die Heilerin schon von ferne erkennen, dass sie mittlerweile fertig gestellt war. Ihre Hoffnung auf eine Abkürzung hatte sich erfüllt. Wie ein eingelöstes Versprechen schimmerte ihr das Holzbauwerk im hellen Licht der beiden Monde entgegen. Stolz und kühn spannte die Brücke sich über die gurgelnden Fluten. Dank der dicken Stützpfeiler und soliden Planken wirkte sie dennoch viel vertrauenswürdiger als so manche schnell errichteten Stege, die andernorts die Reisenden um ihr Leben fürchten ließen. Sie schien für die Ewigkeit gebaut zu sein.
Ungeduldig lenkte Morwena ihr Zweihorn auf die Brücke zu. Hier, dicht am Ufer, brausten die Wasser so laut, dass das Heulen des Windes und das Fiepen der Swuupies in den nahen Auenwäldern ebenso übertönt wurden wie die schaurigen Rufe der Nachtpfeifer.
Unmittelbar vor der Brücke scheute Feenbraut. Sie wieherte und scharrte aufgeregt mit den Hufen.
Morwena konnte ihr Reittier nur zu gut verstehen. Sie waren den ganzen Tag und die halbe Nacht hindurch geritten, und der lange Ritt hatte Feenbraut erschöpft. Eine Rast war längst überfällig. Sie täschelte dem Zweihorn zärtlich den Hals und flüsterte matt: "Ich weiß, Feenbraut, auch ich würde mich jetzt lieber ausruhen, aber wir müssen weiter. Elysion braucht meine Hilfe, und wir werden auf Hellunyat ungeduldig erwartet." Dann schnalzte sie mit der Zunge, um das Zweihorn anzutreiben.
Aber Feenbraut blieb störrisch und rührte sich nicht. Sie schnaubte und prustete nur. Die beiden Elfenbeinhörner auf ihrer Stirn glänzten im Mondlicht.
Morwena war verwundert. Ein derart widerspenstiges Gebaren war sie von ihrem Reittier nicht gewohnt. Schon fragte sie sich, ob Feenbraut Gefahr wittern mochte, als ihr einfiel, dass es die neue Brücke sein musste, die das Zweihorn so verunsicherte.
"Schon gut, Feenbraut, schon gut." Morwena strich dem Zweihorn beruhigend über den Hals. "Du brauchst keine Angst zu haben. Auch wenn wir die Brücke nicht kennen - sie wird uns sicher tragen."
Das Zweihorn wieherte erneut, schüttelte den Kopf und bewegte sich nicht von der Stelle.
Morwena wurde langsam ungeduldig. "Jetzt stell dich nicht so an, Feenbraut!", sagte sie hörbar verärgert. "Wir haben keine Zeit für solche Spielereien. Jeder Augenblick ist kostbar!"
Da erregte eine Bewegung am anderen Ufer Morwenas Aufmerksamkeit. Eine dunkle Gestalt näherte sich auf dem Weg zur Brücke. Die Heilerin kniff die Augen zusammen, um sie besser sehen zu können. Es war eine alte Frau, eine Bäuerin, der einfachen Kleidung nach zu urteilen. Sie trug eine Kiepe auf dem Rücken. Die Last war offensichtlich schwer, denn sie ging vornübergebeugt und schleppte sich mühsam auf die Brücke zu.
Mitleid für die arme Alte, die nicht einmal in der Nacht zur Ruhe kam, rührte Morwenas Herz.
Als die Bauersfrau an der Brücke angelangt war, griff sie an das Geländer und stützte sich darauf, während sie sich mit kleinen Schritten auf die Heilerin und ihr Reittier zu bewegte.
"Siehst du, dein Misstrauen ist vollkommen fehl am Platze!", raunte Morwena dem Zweihorn zu.
Feenbraut prustete und beäugte die Alte, die sich schwerfällig näherte. Ihr Anblick schien das Zweihorn zu beruhigen. Es setzte sich in Bewegung und betrat die Brücke.
Die Heilerin war erleichtert. Endlich, dachte sie. Endlich wird Feenbraut vernünftig.
Bedächtig trabte das Zweihorn über die Brücke. Die Planken polterten dumpf unter seinen Hufen. Die Wasser des Donnerflusses rauschten, die Schaumkronen auf den Wellen leuchteten fahl im Licht der Monde.
Die alte Bauersfrau schien das Zweihorn und seine Reiterin nicht zu bemerken. Von der Last der Kiepe niedergedrückt, kämpfte sie sich vorwärts. Selbst als sie nur noch ein kurzes Stück entfernt war und den Hufschlag hören musste, hob sie den Kopf nicht.
Die arme Alte wird taub sein, dachte Morwena - als sich die Brücke unter ihr urplötzlich in nichts auflöste.
Morwena und Feenbraut stürzten in die Tiefe, und der entsetzten Heilerin blieb keine Zeit, sich zu vergegenwärtigen, dass sie auf ein teuflisches Blendwerk der Dunklen Mächte hereingefallen war. Sie hatte sich diese Brücke so sehnlichst gewünscht, dass es ein Leichtes gewesen war, sie mit einer Scheinbrücke zu täuschen.
Die Fluten des Donnerflusses schlugen über Morwena zusammen, und die eisige Kälte durchflutete ihren Körper wie ein tödlicher Schmerz, als sie von der gefährlichen Strömung fortgerissen wurde.
Die Heilerin strampelte und kämpfte sich mit allen Kräften an die Oberfläche zurück. Sie keuchte und spuckte und rang nach Luft. Als Feenbrauts Kopf ganz in der Nähe aus dem Wasser auftauchte, fühlte Morwena sich erleichtert. Sie reckte den Kopf über die schäumenden Wellen und hielt Ausschau nach der Bäuerin, aber sie konnte sie nicht entdecken. Nur ihre Kiepe trieb auf den Fluten dahin.
Da vernahm Morwena ein schrilles Gelächter über sich, das Gelächter einer Frau. Erstaunt hob die Heilerin den Blick - und bemerkte ein riesiges geflügeltes Wesen, das über dem Donnerfluss schwebte und sich dann mit kräftigen Schlägen seiner mächtigen Schwingen in den Nachthimmel schraubte. Noch bevor Morwena erkennen konnte, worum es sich handelte, wurde sie gegen einen Felsblock gespült, der im Wasser aufragte. Als ihr Kopf gegen den Felsen prallte, hörte sie noch einen lauten Knall. Dann wurde alles schwarz um sie herum, und sie verlor das Bewusstsein

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